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Montag, 17. April 2017

WEINF / Purple Bird And Other Strange Songs

Als erstes wünsche ich dem 22-jährigen WEINF aus Barcelona weiterhin gute Besserung. Leidensgeschichten in Künstlerbiographien sind nicht selten, aber dass jemand unter Chemobehandlung  zwei Alben herausbringt, ist schon ungewöhnlich und zollt größten Respekt. Zur Zeit geht es ihm nach eigener Aussage wohl gut und damit auch genug der Worte über das persönliche Schicksal des jungen Mannes und nun zu seiner Musik.


Bei dieser Vorgeschichte  wundert es nicht, dass sich der vom Schicksal gebeutelte Weinf für Künstler wie Nick Cave & the Bad Seeds, The Doors und Morphine erwärmt und sicher auch Trost in deren Liedern fand, als er während seiner zweiten Chemotherapie mit den Arbeiten an seinem zweiten Album "Purple Bird and Other Strange Songs" beginnt, welches nun am 3. April 2017 auf Custom Made Music erschienen ist.

Während sein erstes Album mit dem bezeichnenden Titel  "Requiem for myself" sich konzeptionell mit seiner Krankheit und den Folgen beschäftigte, kreist "Purple Bird and Other Strange Songs" um ganz unterschiedliche Themen.

Beim wüstenstaubigen "The Sunset Cave" geht es um ein geheimnisvolles rothaariges Mädchen, welches man besser nicht mit einer Prostituierten verwechseln sollte. Die Nummer wird von Orgelklängen getragen und verzückt durch kleine Gitarreneskapaden. Verblüffend aber ist Weinfs tiefe, verbraucht klingende Stimme, die ich nie und nimmer einem 22-Jährigen zugeschrieben hätte und die mich stellenweise an Andrew Eldritch erinnert. Ein Gesangstalent ist Weinf nicht gerade, aber diese unperfekte Stimme passt exzellent zu den Kompositionen, die sich der Spanier auf den Leib geschrieben hat.

Ein Geistlicher und ein Dieb, die jede Nacht in einer Bar zusammen trinken, sind bei "The Priest and the Thief" die Symbolfiguren für Menschen bzw. Organisationen, die es trotz aller Informationsmedien schaffen, die Welt für ihre Zwecke zu manipulieren. Für den Platzhalter Dieb kann man als Stellvertreter zum Beispiel Banker, Großkonzernbosse, Politiker oder sogar Präsidenten einsetzen -  Beispiele liefert die aktuelle Weltgeschichte ja leider genug. Musikalisch bleibt Weinf auf den Spuren des Alternative Dessert County. Dieses Mal ist es aber nicht die Gitarre, sondern die Keys, die sich kleine Extravagnazen erlauben dürfen.



In Richtung düsteren Jazz geht der elegant groovende Song "Purple Bird and Other Uninvited Guests". Die Thematik dürfte sich jedem schon einmal aufgedrängt haben: Man hat Besuch eingeladen und schon nach wenigen Minuten fragt man sich warum.

"The Absence of a God Has Made Me Free" knüpft im Prinzip beim zweiten Song an, denn auch Götter sind große Manipulatoren. Der "Befreiungssong" ist eine der rockigsten Nummern, bei der die Gitarre scharf zwischen die Zeilen fährt - Befreiung eben. Wäre es nicht großartig, wenn dieser Song ein paar religiöse Eiferer von ihrem Wahn befreien könnte? Ich bin der Meinung, dann wäre die Welt defintiv friedlicher.

Ist "The Finest Woman I Have Ever Met " ein Liebeslied? Es klingt nicht so, zu dunkel, zu laut, aber der Text spricht Klartext und diese Zeilen lassen auch wirklich den Schluss zu, dass der Songtitel nicht aus der Luft gegriffen ist:

"she welcomes me with some wine and pot
“bring your records, set the gramophone”
the perfect host for a night of delight
so was yesterday and will be for a while."

               
Es folgt ein kurzes instrumentales Intermezzo namens "What Are They Up To?", bevor es bei der psychedelisch unterfütterten Ballade "Fishes Swimming in the Sand" wieder gesellschaftskritisch wird. Es geht um die Suche nach einer Zuflucht und dem Gefühl an einem Ort, fehl am Platze zu sein. Das kann man einerseits auf die aktuelle Flüchtligssituation beziehen, andererseits haben sich die meisten Menschen, wenn auch nur kurzfristig, in einer ähnlichen Situation befunden - und wenn es nur die falsche Party war.

"Kafka On The Shore" basiert auf einem Gedicht aus dem gleichnamigen Buch des japanischen, mir bisher unbekannten, Schriftstellers Haruki Murakami. Der Protagonist des Gedichtes Kafka Tamura sitzt auf einem Stuhl an der Küste und beobachtet seltsame surrealistische Untergangsszenarien - natürlich zu dunklen klaustrophobischen Klängen.

Das jazzige, nur knapp anderthalb Minuten lange "Preludio" besticht durch das Saxofon, für das Weinf Dana Colley (Ex-Morphine) gewinnen konnte und führt zum bestgelaunten Song des Albums. Bei "Basement" feiert Weinf den Kellerraum seines Freundes, in dem er wohl schon einige schöne, gerne auch angetrunkene Stunden verbrachte. Es kann schön sein im Dunkeln!

Die leicht ausgelassene musikalische Stimmung hält sich auch bei "Carefulness and Other Bad Advice" über weite Strecken, obwohl der Song das mutmaßlich nicht ganz entspannte Verhältnis zu seiner Mutter thematisiert. Aber wer kennt das nicht! So sind Muttertiere nun mal!

Weinf, der seinen Spitznamen, dem ihm Freunde gaben, zu seinem Künstlernamen machte, hat alle Songs selbst geschrieben und in den Akrasonic Studios in Barcelona aufgenommen. Auf Vinyl ist das Album mit dem sehr feinen Artwork von Berta Wallace bisher leider nicht erhältlich, aber für Retro-Fans gibt es zumindest eine limitierte Kassetten-Edition.

Tracklist:
01 The Sunset Cave
02 The Priest and the Thief

03 Purple Bird and Other Uninvited Guests
04 The Absence of a God Has Made Me Free
05 Finest Woman I Have Ever Met
06 What Are They Up To
07 Fishes Swimming In The Sand
08 Kafka On The Shore
09 Preludio
10 The Basement
11 Carefulness and Other Bad Advice



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